Sizilianisches Abenteuer
Im Winter 1975/76 liess ich mich von einem befreundeten Clown, dessen Frau Sizilianerin ist, zu einem Circus nach Sizilien lotsen. Da italienische Circusse Interesse an zuverlässigen deutschen Arbeitern haben, motivierte ich noch zwei weitere dazu. Aber ich reiste zunächst allein voraus, da die anderen Beiden erst etwas später nachkommen konnten. Mit meinem Hund im Nachtzug bis Rom und dann weiter bis nach Sizilien. Nachts kam ich in Catania an und hatte nur die Telefonnummer des Schwagers meines Freundes. Diese halfen mir dann eine preiswerte Pension zu finden. So wanderte ich zwei Tage durch Catania und erlebte dort viel kurioses. Erst dann erfuhr ich den Gastspielort zwischen Catania und Messina. Wäre ich am hellen Tag angereist, wäre ich mit dem Zug am Zoo-Circo Nones direkt vorbei gefahren.
Denn dieser hatte kurzerhand die Uferstrasse abgesperrt und da sein Zelt aufgebaut. Da der Platz etwas zu knapp war, endete dieses zum Meer hin an einer Seite bei den Sturmstangen. Dort liess man die Plane einfach herabhängen. Ein seltsamer Anblick auf so ein abgehaktes Chapiteau. Dieses war ein grosser Zweimaster mit Manegenwagen. Die Masten waren mit dem Wagen verbunden und konnten auf diesen direkt umgeklappt werden. Das Programm lief auf dieser erhöhten Bühne ab, auch die Pferde und der Elefant. Dieser hatte sich an diesen etwas wackligen Untergrund gewöhnt. Ausserdem gab es Löwen und eine Affendressur. Das Zelt wurde bei jedem Wetter aufgebaut, auch wenn der sandige warme Sturmwind von Afrika her blies. Kleine Risse der Nähte in der Zeltplane waren normal und wurden alle paar Wochen mit einem Folienschweissgerät repariert. Da es selten regnete, war dies kein grosses Problem. Im Chapiteau gab es ein zweiteiliges Gradin und Logen. Gradin B war etwas billiger als Gradin A. Die Besucher wurden durch Gitter dorthin geleitet. Die Verneigung der Artisten erfolgte hauptsächlich zu Gradin A hin, selten zu der billigeren Seite hin. Dies war schon recht eigenartig.
Die Direktion bestand aus den Familien Guglielmo Nones und Guido Arata. Guglielmo war der Bruder von Walter Nones, dem Ehemann von Moira Orfei. Guido Arata ein Verwandter der bekannten Artisten und Agenten Gebrüder Arata. Deren Vater war auch mit in Sizilien. Ein überaus lustiger Mann, der auch mit Gips am Bein nichts von seiner Lebenslust verloren hatte. Guglielmo, Guido und der alte Arata sprachen alle gut deutsch, ebenso mein Freund und dessen Frau. So musste ich nicht gleich italienisch lernen. Dies geschah dann beim Essen, wo der kleine Nino mich lehrte „Cortello“, „Forgetta“, ....; er lernte dafür von mir deutsch. Ebenfalls mit vom Team war in blitzgescheiter Ägypter, dessen Eltern ihn vor dem Sechstagekrieg zur Desertion motiviert hatten. Nun musste er sich in Italien verstecken und fand diesen Schutz beim Circus. Ich sprach mit ihm in englisch und wir wurden damals Freunde. Artistisch war das Programm ordentlich und so klapperten wir viele kleine Orte zwischen Catania, Messina und Palermo ab. Später kamen die beiden anderen Deutschen dazu und so erlebten wir eine überaus abenteuerliche Wintersaison.
Oft bauten wir das Zelt direkt neben dem Meer auf. Die Masten von den Zugmaschinen gehalten, deren Räder kurz vor dem Sand standen. Anker wurden nie gebraucht. Die Seile wurden um die Wägen, Bäume oder Häuser geschlungen. Einmal war ein Platz zu feucht und da bauten wir auf dem Dorfplatz einer im Rohbau befindlichen Neubausiedlung auf. Die Seile wurden die Fenster gezogen und an diesen das Zelt befestigt.