Verwirrende Türen

Interessante Gedanken und tiefe Erkenntnisse welche berühren

Verwirrende Türen

Beitragvon Peter » 24.09.2010, 20:06

Verwirrende Türen

Der Raum ist gross, sehr gross und weit. An den acht Wandseiten sind viele Türen, dicht nebeneinander. Grosse und kleine, runde, viereckige und dreieckige. Bunte Türrahmen, graue Holzbalken, silbern schimmernde Metallzargen, vergoldete Türklinken, mit Diamaten besetzte Schwellen, mit Muscheln tapezierte Türen. Eine Vielfalt an Farben und Formen. Jede Tür ist anders, jede schöner, als buhlten sie darum, durchschritten zu werden.
Mitten im Raum neun Stühle, im Kreis ausgerichtet, von jedem ein anderer Ausblick auf bunte Türen. Von oben eine lichtdurchflutete Glaskuppel, die Sonnenstrahlen berühren die Stühle und lassen Diamanten, Gold und helle Farben glitzern. Ein Farbenmeer voll Reizen auf den Betrachter, der den Raum durch eine Tür betreten hatte.
Rosalie steht wie geblendet mitten im Raum, versucht zu erkennen, wo sie ist. Zögerlich nimmt sie auf einem der neun Stühle Platz. Blickt auf die Türen in dem Oktagon, weiss, dass sie eine nun durchschreiten muss. Aber welche? Die Auswahl ist gross. Sie hört in sich die ferne Stimme von Alfred, der ihr sagte, dass nur eine Türe ihre sei. Sie müsse diese wählen und dahinter wäre ihr Weg, der einmalig wäre, nur für sie. Die Stimme ist weit weg, sie hört sie noch kaum, denn die Pracht des Raumes übertönt alle Stimmen, die fernab gesprochen sind.
Auf dem Stuhl sitzend sieht Rosalie auf vier Wände des Raumes, auf achtundachtzig Türen, deren Pracht sie blenden. Jede ist schöner und lockt zum Beschreiten. Die Augen sehen alle Verlockungen, Gold und Diamanten glitzern, die Farben beginnen zu tanzen, einige Türen bewegen sich wie Münder, verformen sich zum verlockenden Kuss. Einige öffnen sich kurz, lassen Licht und Farben durchblitzen. Verlockende Welten dahinter vermutend. Ein Rausch für die Sinne, verschlingend das Menschlein da sitzend im Kreis.
Leise in sich die Stimme von Alfred, „geh nur den Weg deines Herzens“. Sie hört die Worte in sich und schliesst die Augen. Nun blickt sie auf sich, sieht Alfred’s Lächeln, hört ihr Herz pochen. Der ganze Farbenzauber ist entschwunden. Sie spürt wieder sich. Was wollte sie nun, welchen Weg nun beschreiten? Die Verlockungen des Goldes kannte sie, die Diamaten hatten sie geziert, über Muscheln war sie millionenfach geschritten, alle Farben hatten ihr Kleid geziert, in tausend Spiegel hatte sie geblickt. Alles war schön, alles reizvoll lebendig. Aber tiefer war Alfred. Die Liebe zu ihm war erfüllend, jenseits von Farben, Diamaten und Gold. Ihn wollte sie wieder finden, mit ihm wollte sie gehen. Ihm, der in grauem zerknitterten Umhang das Oktagon umgangen, der über Steine und Sand einen anderen Weg wählte als Rosalie. Warum hatte sie den Anderen gewählt, warum das Oktagon betreten? Sie wusste es nicht mehr, es fiel ihr nicht mehr ein. Aber in sich sah sie Alfred schreiten, barfuss leicht, fast schwebend über Sand und Fels. Sie sah ihn lächeln, zufrieden lächelnd, er zwinkerte ihr mit den Augen zu, aber er schwieg. Wie sollte sie ihn finden, welche Türe führte zu ihm ?
Sie spürte in ihr Herz und sah darin Alfred und sie sah die Farben seines einfachen Umhangs, dahinter alle Farben der Welt. In diesem Bild verharrend blinzelten ihre Augen vorsichtig in den Raum zu den schreienden Farben, die grösser und grösser werdend versuchten, sie zu verschlingen. Dazwischen ganz klein, eine einfache kleine Türe in grauem Holz, alt und unscheinbar. Eine knorrige Türe mit verrostetem Türgriff, fast nicht zu erkennen in der Vielfalt sich prostitutierenden Farben und Lichtreizen.
Ganz vorsichtig auf diese Türe konzentriert, schritt Rosalie vorwärts, keinen Moment abgelenkt von den grellen Farben, die nun auch noch betörend sangen. An alle dem vorbei ging sie zu Alfred, der Türe da, die knorrig verborgen war hinter all dem bunten Schein. Sie mußte sich bücken und kräftig gegen die alte Türe drücken. Dahinter war es dunkel und sie kroch hinaus, tastete sich vorwärts, unendlich vorwärts. Erschöpft legte sie sich nieder und schlief ein.
Als sie erwachte, war er vor ihr, sie erkannte ihn wieder. Aber er war anders. Alfred war nun nicht mehr Alfred, aber er war da und sie legte sich zu seinen Füssen. Er lächelte, denn sie war da. Er streichelte sie sanft, nahm sie auf den Arm und wiegte sie. Er sah ihr Lächeln und wusste.


Peter B.
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