Der Flaschensammler

... Erlebnisse und Poesie rund um den Bodensee

Der Flaschensammler

Beitragvon Peter » 24.09.2010, 20:38

Der Flaschensammler

Auf dem Weg zum See, kurz vor meinem Parkplatz liess mir ein älterer Radfahrer die Vorfahrt. Sein Rad war vollgepackt mit Taschen und Tüten voll leerer Pfandflaschen.
Gerade eingeparkt, schiebt der Mann sein Rad den steilen Berg hinauf. Hier spreche ich ihn freundlich an und so erfahre ich, dass er täglich die Flaschen entlang des Sees einsammelt und diese dann bei den Supermärkten einlöst. Das Geld fliesse den SOS-Kinderdörfern zu. Als ich erwähne, dass deren Zentrale in der Renatastrasse in München sei, wird er hellhörig und fragte mich woher ich das wisse. Daraus entwickelte sich ein interessantes Gespräch und ich erfahre, dass er ein erfolgreicher Industriekaufmann war und nach dem Tod seiner Frau einen neuen Lebensinhalt suchte. Dieser siebzigjährige Mann wollte nicht untätig bleiben und so fand er diese ungewöhnliche Altersbeschäftigung zugunsten eines sozialen Zwecks und so kann er jeden Monat rund Euro 50 an SOS-Kinderdorf überweisen. Über diese Tätigkeit hält er sich als Radfahrer fit und kommt ins Gespräch mit Menschen aller sozialen Schichten. Obwohl er sehr ordentlich angezogen ist und als Radfahrer einen Schutzhelm trägt, wird er von manchen Spiessern mit Unverständnis als Penner angesehen. An weltoffenen Mitmenschen hat er seine Freude, da diese ihn verstehen und seine Aktion auch ein wenig bewundern. So wollte einer schon eine Presseveröffentlichung über ihn einleiten, aber das will er nicht. Denn ihm ist seine Freiheit wichtig und will nicht in ein neues Erfolgskonzept eingebunden sein. Einfach aufhören können wann er will und sich nicht verpflichtet fühlen müssen.
So macht er seine täglichen Radrunden mit Freude, sammelt unterwegs alle Flaschen ein, welche andere Menschen achtlos weggeworfen haben, geniesst die Gespräche mit weltoffenen Menschen, die seinen Weg kreuzen und ist mit sich zufrieden wenn er abends in seinem Bett liegt und die Tageserlebnisse reflektiert.
Wir sprachen über Gott und die Welt, so einfach spontan an der Strasse und es war eine erhellende Begegnung. Menschen wie er sind kleine Juwelen im Alltag, Perlen welche man meist übersieht. Es gibt sie überall und sie begegnen einem, wenn man wach dafür ist.

P.B.
2007

Aus "Der Fluss der Zeit strömt durch uns" http://www.burger-verlag.de
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