Ballettabend in Friedrichshafen

... Erlebnisse und Poesie rund um den Bodensee

Ballettabend in Friedrichshafen

Beitragvon Peter » 16.09.2016, 17:39

Ballettabend in Friedrichshafen

In Friedrichshafen an der Uferpromenade steht das stählerne Schiffs-Objekt des Breisacher Bildhauer Lutz, Fragment aus seinem Sternenweg, mit zwei großen Jakobsmuscheln am Masten. Schon vor Jahren hatte ich dieses künstlerische Projekt verfolgt, das den Pilgerweg von Polen ins galizische Santiago de Compostella zur Grundlage hat. Hier steht ein Teil, ohne Schild und Erklärung direkt am Seerand. Im Sommer wird es mit Akteuren manchmal in Bewegung gebracht, eine Spielbühne besonderer Art. Jetzt aber ist es ein nüchternes Stahlgerippe an einem kühlen Oktobertag. Ein Mann kommt des Weges, sieht meinen Blick und murmelt etwas. Ich frage nach und er meint, dies sei ein seelenloser Schrott. Ich versuche ihm den Sinn davon zu erklären, aber er bleibt bei seiner Meinung und wir kommen in ein Gespräch über Herzenswärme, über die Kälte der Kirchen und dieser Art von seelenlosen Kunstwerken. Ein Sonderling mit viel Herzblut, er will mir was sagen, eindringlich nahezu unerbittlich. Im Laufen und Stehen diskutieren wir, kommen uns näher und verabschieden uns per Handschlag mit der gegenseitigen Erkenntnis, das wir gar nicht so weit voneinander entfernt sind.
Ich bin kurz vor dem Graf-Zeppelin-Haus und gehe zur Vorverkaufskasse um meine reservierte Karte zu Alvin Ailey American Dance Theater abzuholen. Aber ich bin noch zu früh und entschließe mich einmal rund um die Halle zu gehen. Auf der Höhe zum Personaleingang steht eine schwarze Lady mit dem Handy telefonierend auf dem Bürgersteig. Eine dicke Katze schnurrt ihr um die Beine. Ich gehe langsam vorbei und die Katze wechselt zu mir und schnurrt nun um meine Füße. Ich bleibe stehen und spreche die Katze an. Die schwarze Lady beendet ihr Gespräch und fragt mich, ob dies meine Katze sei. Ich verneine und frage sie; „you are from Alvin Ailey Dance?“, „Yes, this is my troup!“ „Oh, you are Judith Jamison“, sage ich erfreut. Sie nickt und wir sprechen etwas über die Katze, die ich inzwischen hoch gehoben hatte. Dann teile ich ihr in meinem schlechten Englisch mit, dass ich heute Abend in der Vorstellung bin und dass ich seit etwa zehn Jahren alle paar Jahre ihre Dance-Gruppe ansehe, dass ich zuhause ein Video mit Revelation habe, Nederlans Dance und andere Gruppen liebe. Erfreut strahlt sie mich an: „Oh, you like dance!“. Während des kurzen Gesprächs kraulen wir gemeinsam die Katze und lotsen sie von der Straße, als sie sich wieder von mir freimachte. Zwei Katzenliebhaber haben sich getroffen, sich ebenbürtig für einen kurzen Moment. Dann greift sie wieder zum Handy und ich schlendere am Bühneneingang entlang, sehe zwei Tourneesattelzüge und den Doppeldecker- Tourneebus, schlendere am See entlang, hole meine Theaterkarte ab.
Der Abend war wunderbar. In der Mitte der fünften Reihe ein Weltklasse-Ensemble zu erleben, die geschmeidigen Körper schwarzer Tänzer und Tänzerinnen, die spirituellen Choreographien und ein weites Bühnenbild voll Licht und Farbe.

Peter Burger
4.10.2000
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