Der Täter kehrt an den Tatort zurück

... Erlebnisse und Poesie rund um den Bodensee

Der Täter kehrt an den Tatort zurück

Beitragvon Peter » 15.09.2016, 21:16

Der Täter kehrt an den Tatort zurück

Einmal Bodensee, immer Bodensee, so könnte es sein, zumindestens für Wasserratten. Als Bub bin ich mit den Eltern ein paar Mal in den Sommerferien in Dingelsdorf gewesen, dort im Gasthof Seeschau gewohnt, mit dem Schiff auf der Mainau in Friedrichshafen, Meersburg, Überlingen und in Sipplingen gewesen. Alles Orte früher Prägung und lustiger anheimelnder Erinnerungen.
Mir unvergessen der Bootsanleger “Karle”, der mich einmal rettend aus dem Wasser fischte. Auf dem langen Bootsanlegersteg stand er regelmäßig mit seiner Kappe auf dem Kopf, immer wenn ein Ausflüglerschiff ankam. Ich hatte damals ein fast ferngesteuertes Spielzeugboot von den Eltern bekommen, das aber mit einem langen Kabel mit dem Steuerungsgerät verbunden war. Damals in den Endfünfzigerjahren etwas ganz modernes und ich probierte es ganz eifrig aus. Einmal auch von der Mitte des Landungssteges aus und als das Boot immer weiter den See hinaus fuhr beugte ich mit dem Gerät und Kabel zu weit über die Brüstung. Plumps flog ich dem Boot hinterher in den See und schrie erschrocken um Hilfe, da ich damals noch nicht so gut schwimmen konnte. Zum Glück war es da nicht allzu tief und es war mehr der Schreck über diese Bauchlandung. Karle eilte herbei, zog mich mit meinem Spielzeugboot aus dem Wasser, brachte mich nassen Hund zur Seeschau und übergab mich der Mutter. Von da an mochte ich Karle noch mehr. Dieser ist nun schon lange verstorben, aber in meiner Erinnerung lebt er weiter.
Eines Tages landete eine Yacht an und drei Männer mit Kapitänsmützen stiegen aus und setzten sich auf die Seeterasse des Gasthauses. Viele Menschen liefen zu einem der beiden Kapitäne hin und ließen sich Autogramme geben. Ich wußte nicht wer das ist, kaufte mir aber ganz schnell eine Ansichtskarte vom Gasthaus Seeschau und ging auf zu dem Tisch und bekam ebenfalls ein Autogramm, das ich heute immer noch habe. Erst Jahre später erfuhr ich, das es Hans-Joachim Kulenkampff war, der damals in Wallhausen ein Haus besaß.
Anderseits erinnere ich mich auch noch gut, wie dreckig der See damals war. Im Uferbereich mit vielen Schlinggewächsen und großen grünen Algen, welche in dicken Schichten im See trieben und auch nicht gerade gut rochen. Mit dem Ruderboot versuchte man diesen auszuweichen, in dem man weiter auf den See hinaus ruderte. Mutter ruderte und ich war der anfeuernde Steuermann.
Das waren damals noch ganz andere Zeiten als heute. Da beschweren sich am sauberen Strand in Sipplingen manche Leute über kleine Verschmutzungen an Land oder im See und wissen gar nicht wie sauber dieser heute ist. An den meisten Tagen ist das Wasser klar und so sauber, das man problemlos im See schwimmend etwas Wasser pur trinken kann. Früher passierte das nur, wenn man aus Versehen den Mund nicht richtig schloß und unfreiwillig etwas hinunter schluckte. Aber das habe ich auch überlebt und hat mich nicht krank werden lassen. Ich denke, das diese frühere unkompliziertere Naturverbundenheit uns stark gemacht hat und wir damit mehr Abwehrkräfte erhielten, als das heute bei vielen Kindern der Fall ist.
Wenn ich nun abends in Sipplingen schwimmen gehe, blicke ich links hinüber in Richtung Wallhausen und Dingelsdorf. Oder gerade aus zur Marienschlucht, die wir damals auch erwandert hatten. Da kommen Erinnerungen an frühere “Tatorte” in mir hoch und ich schlage einen inneren Bogen von meiner Kindheit bis in meine nun beständig alternde Gegenwart.
Mit Sipplingen verbindet mich von jeher ein Gefühl von Vertrautheit. Als ich noch bei Freiburg lebte und mit Auto meine Mutter bei München besuchte, fuhr ich immer am Bodensee entlang und machte regelmäßig Station in Sipplingen oder an der Klosterkirche in Birnau, mit weitem Blick hinüber auf die andere Seeseite mit der Mainau, Dingelsdorf und Wallhausen. Diese Zwischenstationen waren vertraute Rituale an Orten, welche tief in mir eingegraben ein Gefühl der Vertrautheit mir vermittelten.
Jahre später, als ich bereits im Hinterland des Bodensees wohnte, war ich mit meiner damaligen Partnerin und meiner Hündin Eleisa oft am Seeufer in Sipplingen. Eleisa war eine pechschwarze Mischlingshündin halb Riesenschnauzer, halb Schäferhund. Eine wassersüchtige Powerhündin, die im See nach Steinen tauchte, bis zu 40 Sekunden mit dem Kopf unter Wasser bleiben konnte und dann total zufrieden mit einem großen Stein im Maul aus dem Wasser kam. Zudem war sie eine begeisterte Schwimmerin mit Torpedogeschwindigkeit. Am Landungssteg warfen wir einen Stock ins Wasser. Eleisa sprang hinterher, wir hechteten ihr nach und wenn wir nicht gleich ihren Schwanz erfaßten, kamen wir ihr nicht mehr hinterher. Am Schwanz gehalten zog sie uns einzeln problemlos mit sich. Sie hatte 100.000 Volt und war kaum müde zu bekommen.
Damals wurde bei unserer Gaudi eine Auge zugedrückt. Heute ist da alles strenger geregelt und solche Sprünge ins Wasser nun dort verboten. Aber ich denke gerne an diese noch etwas unkomplizierteren Zeiten zurück, in denen weniger strengere Regeln das Leben bestimmten. Mit immer weiter ausgebautem Tourismus mit immer mehr Gästen ist auch ein Stück dieser Freiheit verloren gegangen. Manches ist optisch schöner geworden, aber auch mit mehr Menschen besiedelt, zumindestens in den Sommermonaten.
Da ich die großen Menschenansammlungen nicht mag, ist Sipplingen am Abend für mich immer noch ein kleines Paradies, wo ich gerne im See schwimme, mit Menschen mich unterhalte oder diese nur beobachte.
Jeder hat seinen eigenen Schwimmstil und Gewohnheiten. Einige der Stammbesucher an meinem Platz kenne ich nun schon über zehn Jahre. Immer im Sommer sehen wir uns da und es gibt ein nettes Hallo, ein Schwätzle und manchmal auch tiefere Gespräche, welche sich gerade so ergeben.

Peter Burger
13.8.2015
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