Im Zickzack über den Bodensee

... Erlebnisse und Poesie rund um den Bodensee

Im Zickzack über den Bodensee

Beitragvon Peter » 18.06.2011, 03:02

Im Zickzack über den Bodensee

Die renommierte Gyula Trebitsch Fernsehproduktion aus Hamburg drehte 1999 einige Wochen im Auftrag des ZDF eine zwölfteilige Serie am Bodensee. „Drei Witwen“ erben von einem Mann gemeinsam ein Haus am Bodensee. Gemeinsam nehmen sie dieses in Besitz und sind sich dabei alles andere als "grün". Aus deren Annäherung und Konflikte ranken sich Geschichten. Bis im Frühjahr 2000 wurde an verschiedenen Schauplätzen gedreht und die Serie ab der zweiten Jahreshälfte gesendet.
Per Kleinanzeige im Südkurier wurden Statisten gesucht und dies reizte mich. So wurde ich prompt für einen Tag engagiert und fand mich um halb neun am Landungssteg in Überlingen ein. Die Co-Regisseurin Beate Faßnacht, aus Konstanz gebürtige Kostüm- und Bühnenbildnerin sammelte fast dreißig Statisten in einem Fahrgastraum des Bodenseeschiffs Reichenau und bereitete uns auf die Produktion vor. Die Mutter einer der drei Witwen, dargestellt von Ruth Maria Kubitschek, entflieht mit ihrem kleinen Enkel der schwierigen Situation und macht mit diesem einen Ausflug auf die Mainau. Während die bunt zusammengewürfelte Statistenschar sich näher kommt, wird das restliche Schiff mit viel Technik beladen und schließlich kommt auch Ruth Maria Kubitschek. Mit Brötchen und Kaffee werden die Statisten beschäftigt. Der liebe Rottweiler des Produktionsleiters wandert schmusend zwischen den Stühlen. Gegen zehn Uhr legt das Motorschiff ab und pendelt immer zwischen Überlingen und Wallhausen hin und her. Für jede Aufnahme wird die strahlend schöne Sonne genutzt und muß das Schiff im passenden Winkel dazu fahren. Da manche Sequenzen mehrmals gedreht werden, muss das Boot immer wieder kehren, kreisen und dann erneut auf den Yachthafen Wallhausen zusteuern. Beate Fasnacht wählt für jede Szene andere Statisten aus und so ist ein ständiger Wechsel. Dazwischen muss eine absolute Stille sein, selbst das Schnaufen sollte unterbleiben. Während anfangs es vielen schwer fällt ihren Mund zu halten, gelingt mit der Zeit allen eine äußerst disziplinierte Stille. Es ist fast ein "Kurs in Schweigen". Spätestens wenn der Ruf des Tonmeisters durch das Schiff hallt "Ruhe, Ton läuft", versinkt die geduldig wartende Schar in sich selbst und lauscht dem Plätschern des Wassers am Heck des Schiffes. Die Regieassistentin Lydia fungiert als höfliche Aufpasserin und wenn ihr "Danke" ertönt, atmet alles befreit auf. Schließlich das gemeinsame Aussteigen auf der Mainau, ebenfalls in mehreren Anläufen und dann werden wir von hinten gefilmt, auch wiederum mehrmals. Vorher werden wir darauf aufmerksam gemacht, dass die Handlung im Sommer spielt. Mäntel sollen abgelegt werden, was kaum einer befolgt. Die Wärme wird bestimmend suggeriert, während es uns auf dem offenen Deck des Schiffes selbst im Mantel recht fröstelt. Ebenso lustig ist das mehrmalige Durchschreiten der Mainau-Kasse, wo wir statt Eintrittskarten ein Info-Prospekt erhalten. Nun noch eine Szene beim Palmenhaus. Frau Kubitschek spielt professionell ruhig ihre Rolle. Der kleine Junge macht ebenfalls prächtig mit, abgesehen von einigen Versprechern. Das junge Regieteam hat seine Freude daran. Da ich für diese Szene nicht gebraucht wurde, half ich dem Aufnahmeteam bei der Abschirmung der vielen auf der Insel anwesenden neugierigen Besucher der Mainau. Denn es geht nicht, dass die Menschen in die Kamera starren. Deshalb braucht man zur Darstellung des normalen Lebens engagierte Statisten, die wissen, dass man wegzugucken hat. Fünfeinhalb Stunden Kreuzfahrt über den Bodensee mit Kurzbesuch der Mainau gegen DM 80,- Aufwandsentschädigung. Vielleicht bin ich ja in den siebzig Sekunden im Fernseher zu erleben, die an diesem Tag gedreht wurden. Möglicherweise nur wenige Sekunden von hinten. Es war einfach ein Spaß für mich, die anderen Statisten und für die Älteren darunter, die anschließend noch im Altersheim gebraucht wurden. Dazu wurde das Haus des Gastes in Überlingen umgestaltet. Ist eben Kino und inszeniertes Leben, besser Traumwelt. Was diese Träume kosten, konnte ich nur erahnen. Dieser Drehtag hat sicher über zehntausend Mark gekostet. Ein heller Wahnsinn!

Peter Burger
7.10.1999
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