Menschen am See

... Erlebnisse und Poesie rund um den Bodensee

Menschen am See

Beitragvon Peter » 16.09.2016, 18:19

Hans im Glück

In den Sommermonaten liebe ich es am Abend im Bodensee zu schwimmen. Immer ab neunzehn Uhr bis zum Sommeruntergang zelebriere ich dies wie ein Ritual, weil ich mich im Wasser leicht und frei fühle und am Ufer sitzend die Landschaft, Wellen und Boote beobachte. An meine Lieblingsstelle in Sipplingen kommen abends häufig die gleichen Leute und man begrüßt sich jeden Sommer wie alte Bekannte und so mancher nette Plausch erzählt etwas über den Alltag, das Wetter und über Lebensgeschichten.
Dieses Jahr traf ich dort den siebzigjährigen Holländer Hans van der Gülik, den ich spontan Hans van der Glück nannte, obwohl er sein Leben nicht unbedingt glücklich empfindet. Aber er strahlt eine geheimnisvolle Fröhlichkeit aus, wenn er nicht gerade in die tiefe Trauer über seine vor wenigen Monaten verstorbene Schwester verfällt. Diese hat er wie eine Zwillingsschwester geliebt und vermißt diese nun sehr. Es ist wie bei der Trennung von Ehepaaren nach einem gemeinsamen langen glücklichen Leben. Denn als Hans sieben Jahre alt war verließ seine Mutter die Familie und die um ein paar Jahre ältere Schwester trat an deren Stelle und übernahm für Hans den weiblichen Part in seinem Leben. Denn seine eigene Ehe hielt nur zwei Jahre, da seine Frau ihn ähnlich plötzlich verließ, wie vorher die Mutter. Trotz dieser schmerzhaften Einbrüche im Leben hat er nun im Alter eine ausgeglichene Ausstrahlung auf andere Menschen, wessen er sich selber gar nicht bewußt ist. Seit vielen Jahren hatte er mit der Schwester eine Ferienwohnung in Sipplingen, wo diese jeden Sommer gemeinsam verbrachten. Nun ist er darin alleine, aber immer noch mit der Kleidung und den Schminksachen der Schwester. Er kann sich davon nicht trennen und diese Erinnerungsstücke auch nicht anfassen. Auf diese Weise ist diese für ihn noch da und da er weder Fernseher noch PC hat, ist er gedanklich stark in den Erinnerungen verhaftet. Was ihn berührt ist Literatur und darin ist er belesen von Schopenhauer, Kant bis Goethe. Die alten Philosophen mit ihren Weisheiten leben in ihm und er liebt die Zeit und Kultur um 1920. In seiner Heimatstadt Amsterdam kleidet er sich historisch in dieser Mode und geht damit in den Straßen spazieren. Dies liebt er über alles und irgendwie erscheint er mir wie eine Inkarnation aus jener Zeit, die nur teilweise in der Jetztzeit angekommen ist. Vieles was heute ist, sieht er kritisch, teils auch angstvoll und träumt von vergangenen schöneren Zeiten.
Unsere abendlichen Gespräche sind tiefgründig, auch wenn wir manchmal aneinander vorbei reden oder zwischen unseren Sprachen nicht die richtigen Worte oder Begriffe finden. Dennoch erspüren wir intuitiv den gemeinsamen Nenner und erahnen den Geist dessen was wir uns mitzuteilen versuchen. Für mich eine sehr schöne Begegnung, über die ich mich jeden Abend freue.
Dieser „Hans im Glück“ strahlt für mich das aus, was viele Menschen nicht mehr haben. Eine philosophische Tiefgründigkeit mit eigenen Gedanken und Sichtweisen, welche eigene Reflektion fordern. Dabei bedeutet Gülik eigentlich Jülich, wie er mir erklärte. Gülik sei der niederländische Name des deutschen Jülich, so als habe er historisch deutsche Wurzeln und sein Hang den Sommer in Deutschland zu verbringen, mag ebenso ein Teil seiner Rückerinnerung an vergangene Welten sein. Irgendwie lebt er in einer anderen inneren glücklichen Welt, welche er auch unbewußt ausstrahlt.
Welch ein Glück, das es auch solche Träumer in unserer hektischen modernen Welt gibt, die sich an schönen Landschaften erfreuen, zu tiefgründigen Gesprächen fähig sind und bei alledem etwas liebenswürdiges ausstrahlen, was magisch all jene anzieht, die einen ähnlichen Geist in sich tragen oder dies dringend für sich benötigen. Anderseits braucht er jetzt bodenständige Menschen um sich, da nun ohne die ihn mitragende Schwester er sich verloren fühlt, Angst hat in bodenlose Depressionen zu verfallen. Aber das Leben führt ihm diesen Ausgleich schon zu, da er gute Schutzengel hat und auch der Geist der Schwester ihn weiter beschützend begleitet. Dies spüre ich bei ihm und bin mir sicher, das er noch einige glückliche Jahre vor sich hat und noch schönes erleben wird. Meinem „Hans im Glück“ wünsche ich es von ganzem Herzen und genieße die Tage wenn wir uns mitten im Wasser zuwinken und ich seinen holländischen Dialekt höre, in dem ich zwar nicht alles immer gleich verstehe, aber die Musik dahinter höre, spüre oder erahne. Denn Worte können verwirren, aber wer den Ton dahinter hört, erhält mehr als nur Glück im Moment. Daher kann ich nur sagen, lieber Hans verbreite weiter dein Glück, vielleicht auch nur bei mir, da ich ihn in seiner Tiefe erkannt, seinen speziellen Ton liebe.
Die täglichen Begegnungen mit ihm sind nun ein Teil meines abendlichen Baderituals, mit dem ich den Tag zufrieden ausklingen lasse. Glücklich und in Frieden mit mir den Alltag abstreifend in die Tiefe der Nacht abtauchen kann. In meine Gedanken und Träume, welche Glück bedeuten und dies behutsam wachsen lässt. Die wahren Meister rennen nicht im Gurugewand umher, sondern begegnen mir im normalen Leben, wenn ich dafür wach bin und diese Perlen unter tausenden Muscheln erkenne.

Peter Burger
6.8.2015
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Zuletzt geändert von Peter am 16.09.2016, 20:44, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
Peter
 
Beiträge: 380
Registriert: 30.08.2010, 16:40
Wohnort: LL

Re: Menschen am See

Beitragvon Peter » 16.09.2016, 18:47

Hallo Herr Ustinov !

Diese Begrüßung erhielt ich manchmal wenn ich in vergangenen Jahren in Sipplingen im Bodensee schwimmen ging. Christian und Britta, ein sympatisches Paar meinte ich würde dem Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller Peter Ustinov ähnlich aussehen. Das war mir bisher nicht bewußt und fühle mich geschmeichelt. So löst diese Begrüßung „Hallo Herr Ustinov“ in mir ein Schmunzeln aus.

Es ist mir eine Ehre mit so einem interessanten Mann in Verbindung gebracht zu werden. Sir Peter Alexander Baron von Ustinov, geboren am 16. April 1921 in London und verstorben am 28. März 2004 in Grenolier in der Schweiz war ein Mann von Welt, den die englische Königin Elisabeth II im Jahr 1990 in den britischen Adelstand erhob. Ab 1968 war er UNICEF-Sonderbotschafter und 1999 gründete er die Peter Ustinov Stiftung zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen. In seinen letzten Lebensjahren widmete er sich der Bekämpfung von Vorurteilen und gründete aus diesem Anlaß Lehrstühle zur Vorurteilsforschung in Budapest, Durham und Wien. Von 1968 bis 1974 war Ustinov Rektor der University of Dundee und amtierte von 1992 bis zu seinem Tod als Kanzler der University of Durham.
Der mehrsprachige Ustinov machte sich einen Namen als Autor von zeitsatirischen Theaterstücken, Erzählungen, Essays, Kolumnen, Romanen, Novellen und Drehbüchern. International bekannt wurde der zweifache Oscarpreisträger durch seine Filmrollen in Quo Vadis (1951), Spartacus (1960), Topkapi (1964) und Tod auf dem Nil (1978). Als Regisseur inszenierte er Opern wie Die Zauberflöte und Don Giovanni, Bühnenstücke und Filme. Ustinov schuf außerdem Karikaturen, Kostüm- und Bühnenbilder, humoristische Begleittexte zu musikalischen Werken und war weltweit gern gesehener Gast in Talkshows und mit eigenen One-Man-Shows. Seine vielseitigen künstlerischen Tätigkeiten und sein internationales Wirken brachten ihm die Titulierungen „Multitalent“ und „Kosmopolit“ ein.

Es gibt zwar ähnliche Spuren in meinem Leben, da ich organisatorisch bei Theatern arbeitete, mich mit eigenen Theaterstücken versuchte, selber Kurzgeschichten, Gedichte, Romane und Fachbücher schreibe und verlege. Zudem habe ich fast mein ganzes Leben mit Künstlern aller Sparten zu tun.
Aber an diesen künstlerischen Giganten Peter Ustinov komme ich nicht heran. Doch ist es anregend plötzlich mit diesem optisch in Verbindung gebracht zu werden und zu reflektieren zwischen dessen und meinem Leben. So manches was er erreicht hat, war auch mal ein ähnlicher Traum von mir. Doch ist mein Leben mit anderen bunten Elementen gefüllt, die ich gerne in Kurzgeschichten festhalte und weitergebe.
Da ich selber eher vergesslich bin, schreibe ich meine Erlebnisse nieder und halte diese in erster Linie für mich selber fest. So staune ich manchmal was ich vor zehn, zwanzig oder vor vierzig Jahren geschrieben habe. Ohne das wäre das Meiste in meinen grauen Zellen so tief eingelagert, das ich es nicht mehr vollständig in mein Jetzt-Bewusstsein holen könnte.
Ich gebe meine Erlebnisse und kreativ fabulierten Geschichten auch gerne an Dritte weiter, da ich Kommunikation liebe und über diesen Weg wieder neue Menschen erreiche, welche mit ihren Erlebnissen und Lebenserfahrungen mein Leben bereichern. Die Lebensläufe anderer Menschen fand ich schon immer spannend und auch die Essenz daraus, welche im Alter tragend in der Erinnerung blieb.
Diese neugierige Offenheit wird von manchen Mitmenschen leider falsch verstanden und verunsichert diese. So wurde dies von einer Frau am See als grosses Mitteilungsbedürfnis abwertend bezeichnet und der gerade begonnene Dialog wurde von ihr jäh abgewürgt. Ich kenne sie schon eine Weile und wir hatten einige Gespräche miteinander. Angela, nun um die siebzig war einst Goldschmiedin, später betrieb sie mit ihrem Mann ein Elektrogeschäft in einer Großstadt und lebt nun alleine in Hödingen hoch über dem See.
Einige Bruchstücke aus ihrem sicher interessanten Leben habe ich erfahren. Aber sie bleibt widersprüchlich verschlossen. Will alleine sein, legt sich dennoch mitten unter viele sonnenhungrige Badende und sagte mir, das sie doch auch sozialen Anschluß in eine dörfliche Gemeinschaft in deren Vereinen braucht. Wenn ihr Gespräche zu viel werden, dreht sie einem einfach abrupt den Rücken zu. Oke, jeder soll so sein wie er will. Als Antwort tat ich es ihr an einem anderen Tag gleich und beachtete sie nicht. Etwa zwei Wochen später rief sie mich urplötzlich an, um sich zu entschuldigen, weil sie „böse“ zu mir war. Sie hatte länger über ihr Verhalten nachgedacht und wollte mich damit nicht verletzen. Respekt dachte ich und als ich sie an einem heissen Augustabend wieder in Sipplingen traf, glaubte ich zunächst, das sie wieder ein offenes Gespräch wolle. Aber nach kurzer Zeit erlebte ich wieder eine schroffe Abfuhr. Eine seltsam launische Frau, welche mich einerseits neugierig macht, aber anderseits aus ihr nicht ganz schlau werde. Nach aussen wirkt sie souverän stark, aber in ihrem Inneren viel komplizierter, verletzlich, dennoch wach für alles was um sich herum passiert. In dieser Mischung von Offenheit und plötzlich einsetzender schroffer Abgrenzung ist sie sicher für viele Menschen schwer einschätzbar und damit auch geheimnisvoll.

Menschen zu beobachten hat mir schon immer Spass gemacht. Oft denke ich mir, der mir gegenüber könnte das und das sein. Kommt es zu einem Gespräch erfahre ich mehr und erlebe dann ob ich richtig getippt hatte oder voll daneben lag. Dies hinter die Fassaden der Mitmenschen zu blicken, etwas über deren Psyche zu erfahren, begleitet mich durchs Leben und ich habe dadurch eine Bandbreite an Lebensgeschichten erfahren, welche ich mir früher hätte nicht vorstellen zu können.
In vielen Leben liegt Himmel und Hölle nah beieinander. Was es da alles auszuhalten und zu lernen gilt. Jeder ist zeitlebens in einer Wandlung und Wachstumsprozess, der irgendwann endet oder auch nicht. Denn nur die Körper bleiben zurück, werden zu Asche oder Humus im Kreislauf der Natur. Aber jeder nimmt in seiner Seele einen „Computerchip“ voll wesentlicher Information mit auf eine Reise in andere Lebensformen, welche irgendwann wieder in den Kreislauf eines neuen irdischen Lebens münden. Vieles was wir leben ist im Grunde nur zeitausfüllender Erfahrungsballast. Wesentlich ist das was in den letzten Atemzügen übrig bleibt, was man als tiefstes Glücksgefühl oder auch Wut mit hinüber nimmt. Darin verborgen die Summe der wichtigsten Erfahrungsdaten dieses Lebens und derer davor. Ja, ich glaube an die Reinkarnation, denn ich kenne einen wesentlichen Teil der gespeicherten Informationen welche ich in dieses Leben mitbrachte. Dies vermischte sich später mit den ererbten Dispositionen meiner Herkunftsfamilie, die mich für viele Jahre mit prägte. Nun im Alter erkenne ich immer deutlicher was meine Eltern und mein Halbbruder für mich bedeutet haben, im Guten wie im Schlechten, denn ich bin daran gereift, ebenso an meinen Lebensgefährtinnen und Freunden, ebenso an meinen Tieren, den Pflanzen und allen Energien um mich herum. Dieses tiefer hinter die Schalen und Fassaden schauen, die Vielfalt der Menschen zu verstehen, diese für ihre Taten und Dummheiten nicht zu verurteilen, sondern sie so zu akzeptieren wie sie sind, war und ist ein wesentlicher Teil meines Lebens.

In allen Berufen, Tätigkeiten oder einfach nur hier am Bodensee lebe ich dieses Erkennen von unterschiedlichen Leben und derzeitigen Handlungen. Habe gelernt die Menschen in ihren Eigenheiten zu akzeptieren und zu lieben, auch wenn es nicht in jedem Falle einfach ist. Doch jeder soll auf seine Art glücklich sein und dies gilt es zu akzeptieren. Oft kann ich darüber erfreut lächeln und verstehen. Manchmal reibt sich da noch etwas in mir und dann blicke ich genau auf diesen Punkt in mir. Denn was sehe ich da nun gerade in Anderen, was auch mit mir zu tun hat. Warum reibt es sich in mir, was kratzt da an meiner Seele. Ist es ein Manko oder einfach noch so ein alter Zeigefinger aus grauer Vergangenheit? Habe ich daraus etwas an mir zu ändern oder soll es mir nur sagen, lass dich nicht verunsichern, bleib wie du bist, authentisch und frei. Alle solche Begegnungen runden Ecken in mir ab und gerade diese widersprüchliche Angela ist so ein Sandkorn in meiner Seelenmuschel. Denn dies stellt indirekte Fragen an mich und ergibt Antworten in mir.

Nun triftete ich von Peter Ustinov zu ganz anderen Themen ab, tiefergehenden, die am gleichen Platz und Abend ihren Ursprung hatten. Was so ein kleiner Platz am See doch alles beinhaltet und auslösen kann. Er ist für wenige Sommermonate jeden Abend ein Biotop von Glücksgefühlen, Gedanken und nachdenklichen Gesprächen mit immer wiederkehrenden und neuen Badegästen, welche gerne frei schwimmen oder sich nur sonnen wollen.

Peter Burger
7.8.2015
Zuletzt geändert von Peter am 06.06.2021, 22:05, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
Peter
 
Beiträge: 380
Registriert: 30.08.2010, 16:40
Wohnort: LL

Re: Menschen am See

Beitragvon Peter » 16.09.2016, 18:56

Finger im Wespennest

Auf Facebook gibt es auch eine Gruppe „Sipplingen aktuell“ und da wurde ein Artikel im Südkurier vom 25.8. gezeigt, der die Arbeit der DLRG beschreibt.
DLRG-Ortsgruppe Sipplingen: Jeden Tag gefordert
Die Lebensretter sind zurzeit täglich im Einsatz, ehrenamtlich wird Wach- und Wasserrettungsdienst geleistet. Sie leisten nicht nur ehrenamtlichen Wach- und Wasserrettungsdienst, sondern sind auch „Mädchen für alles“ rund um ihre Wachstation am Naturbadestrand: die Mitglieder der Ortsgruppe Sipplingen der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), die in diesem Sommer so viel zu tun haben wie noch nie zuvor. „Es passiert eigentlich jeden Tag irgend etwas, bei dem wir gefordert sind“, sagt Vorsitzender Karl-Heinz Rimmele.
Rund ein Dutzend Einsätze haben die 14 Bootsführer des DLRG-Wasserrettungsdienstes in diesem Jahr schon geleistet, unter anderem mit ihrem Rettungsboot „Faster“.

So ganz spontan schrieb ich dazu den Kommentar: „Ich bin nur gegen Abend oft am Naturbadestrand und habe bis jetzt (zum Glück) noch keinen großen Einsatz erlebt. Dafür umsomehr Feste und Ausflugstrips vom DLRG-Steg aus. Ist zumindestens ein sehr kommunikativer Platz. Was ich dort vermisse, ist eine Uhr an dem Gebäude. Wenn man im Wasser schwimmt wäre es schön, wenn man wüßte welche Zeit ist.“ Früher beim Strandbad gab es so eine Uhr und manchmal wäre es praktisch wenn man sieht wielange man schon im Wasser ist oder ob möglicherweise der Parkschein im Auto auf dem Parkplatz oberhalb der Straße schon abgelaufen ist.
Am gleichen Abend an der Badetreppe in Sipplingen kam ich zufällig mit einem Mann zu sprechen, mit dem ich mich in diesem Sommer schon öfters austauschte. Daneben saß eine weiterer Mann und eine Frau. Im Laufe des Gesprächs erwähnte ich die Facebook-Episode und das ich hier noch nie einen Einsatz der DLRG miterlebt habe, dafür aber viele lustige Feste. Kaum ausgesprochen kam prompter Widerspruch der Frau, welche sich als Vorstandsmitglied der DLRG entpuppte. Sie beanstandete, das viele Leute die ehrenamtliche Arbeit der DLRG zu wenig würdigen würden. Klar, wenn man hier baden geht, erlebt man nicht deren Einsätze, nur manchmal Übungen und eben die Festivitäten. Darin sehe ich auch kein Problem, sondern hatte ja nur etwas vorlaut gescherzt. Aber an der Reaktion der Frau merkte ich, das ich hier einen wunden Punkt berührt hatte. Darauf ging ich schwimmen und genoß das herrliche Bodenseewasser intensiv. Zurück an Land setzte ich mich auf die warmen Stufen neben der Badetreppe und ließ mich von der Sonne trocknen. Plötzlich tauchte die Frau in Begleitung eines Mannes auf, der mich sprechen wolle. Er streckte mir die Hand hin, wollte meinen Namen und sogar meinen Vornamen wissen, zudem ob ich Gast in Sipplingen sei. Als ich dies verneinte und sagte ich lebe im Hinterland, kam die Frage warum ich hier baden würde, was er selbst damit beantwortete, wohl weil es hier nichts koste. Wie sich herausstellte war dies der DLRG-Vorsitzende Rimmele, der fast wie ein Polizist mir unterstellende Fragen stellte und mich gleichzeitig zu einer Besichtigung seiner DLRG-Station einlud. Es war schon recht seltsam, das ich mich rechtfertigen sollte, warum ich hier an einem freien Strandabschnitt baden gehe, nur weil ich humorig etwas gesagt hatte, was dem Vorstand nicht gefiel. Oh weia, da hatte ich mit meinem Finger völlig absichtslos in ein Wespennest gestochen und erlebte die unmittelbare Reaktion der anscheinend sichtlich Getroffenen. Wie schnell doch ein Spässle mißverstanden werden kann und daraus dunkle Wolken aufziehen können. Ich dachte eine Weile darüber nach und verzichtete dann auf die Besichtigung der DLRG-Station. Denn wer begibt sich schon gerne freiwillig in ein Wespennest, in dem man sich dann für seine Worte rechtfertigen muß. Die Arbeit der DLRG ist wichtig und gut, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Nur wenn deren Vorstand so empfindlich auf vermeintliche Kritik ist, dann sollten diese ihre Öffentlichkeitsarbeit verbessern, damit deren Arbeit und Einsatz breiter gewürdigt wird.

27.8.2015

Nachtrag:

Am 1. September übten Fallschirmspringer der Bundeswehr das Landen im See kurz vor Bodmann. Das Boot der DLRG Sipplingen war auch beim Bergen der Fallschirme und der Soldaten dabei. Wieder retour an der Station in Sipplingen konnte es sich Herr Rimmele nicht verkneifen, mir nachzurufen „das war auch ein Einsatz von uns“, als ich über die geschwungene Brücke für Fußgänger und Radfahrer heimwärts ging. Ich überhörte es und fragte mich doch, ob der Lebensretter humorlos ist oder gar geltungssüchtig, das er mich nun mit Argusaugen verfolgt, als würde er nicht die leiseste Kritik vertragen.
Dabei gäbe es durchaus etwas zu kritisieren, was ich mir bisher verkniff. Denn es ist nervig wenn sieben Leut stehend oder kniend auf Surfbrettern im Badebereich sich tummeln. Ältere Schwimmer hatten am Sonntag sichtlich Mühe diesen Brettern auszuweichen, was Unmut unter diesen auslöste. Hier sollte die Aufsichtsperson mehr darauf achten, das Schwimmer des Naturbadestrandes nicht durch zuviel Aktion rund um die DLRG-Station behindert werden.
Benutzeravatar
Peter
 
Beiträge: 380
Registriert: 30.08.2010, 16:40
Wohnort: LL

Re: Menschen am See

Beitragvon Peter » 16.09.2016, 20:15

Sommer 2016

Fast alle Personen des Vorjahres traf ich auch dieses Jahr wieder und ein paar Neue dazu. Manche haben sich etwas verändert, andere schienen unverändert. Einige offener, andere verschlossener. Aber die Grundmuster blieben gleich. Sicher habe ich mich auch verändert und nahm nun vieles mit anderen Augen wahr.
Hans war lockerer und auf Suche nach weiblicher Gesellschaft, teils Ersatz für die fehlende Schwester. Mehrere Frauen kümmerten sich um ihn, denen er immer sehr herzlich zuwinkte. Dabei auch die komplizierte Frau aus Hödingen, die stets sehr gesprächige Elke aus Ludwigshafen und eine weitere selbstbewußte Frau aus Stockach.
Lothar aus Owingen wurde im August achtzig Jahre und zeigte allen seine beachtliche Vitalität. Er lud mich nach seinem Geburtstag zum Essen ein und wir fuhren gemeinsam in die Höri.
Der Herr Rimmele hatte über den Winter mich zum Glück vergessen und ich konnte wieder völlig unbelastet an der DLRG-Station vorbei gehen. :lol:
Karl und Ella kreuzten öfters meinen Weg und es gab nette Gespräche. Ewald stopfte regelmässig seine Pfeife und obwohl ich Nichtraucher bin, roch ich seinen Tabak ganz gerne. Der "Dachs". ein pensionierter Klinikarzt war auch wieder da. Ein feiner netter alter Herr. Da ich seinen Namen nicht kenne, nenne ich ihn "Dachs", da er mir von einem Dachs erzählte, der sein Grundstück am Berg immer durchwühlt und er überlegte, wie er diesen loswerden könne. :mrgreen:
Der pensionierte Internist Dr. E. mit Frau war oft anzutreffen, ebenso der 38er mit Frau, ein rüstiges altes Ehepaar mit Humor, die dazwischen auch mal an der Ostsee waren, aber gerne wieder zum Bodensee zurück kamen. Die glückliche Susanne, eigentlich Architektin, nun aber Berufsschullehrerin für Bauwesen, die immer zwischen Sipplingen (Mutter) und München (Sohn) hin und herpendelt. Nur am See ist es ihr zu langweilig. Sie braucht beides, die Beschaulichkeit der Heimat und das bunte Großstadtleben.
Andrea, eine Masseurin aus Überlingen, ist eine sehr gute Schwimmerin. Ich nenne sie den "Delfin", die weite Strecken kraftvoll schwimmt. Ich kenne sie schon seit vielen Jahren. Aber immer nur im Sommer an diesem besonderen Platz.
Nur der Ruf "Hallo Herr Ustinov" kam seltener, obwohl der Mann öfters da war. Nun mit neuer Partnerin verändert reservierter. Zu seinen Freunden zählt ein Werbemann aus Bodman, mit dem ich einige kluge Gespräche führte. Manche waren mir zu theoretisch und seine Schlußfolgerungen nicht unbedingt wünschenswert für unsere Welt. Ob er damit recht hat, werden wir erleben, ich hoffe es aber nicht.
Mit einer mir bekannten Apothekerin und ihrem Mann kam ich in gute Gespräche, die mich mehr berührten.
Der Badesommer 2016 war kürzer, aber auch sehr schön mit interessanten Begegnungen am See.
Am 15. September gab es Abschlussrunden mit Erinnerungsfotos einiger Stammgäste hier am See. Nun ab heute war die Luft merklich kühler. Der See immer noch wärmer, aber dieser wird nun auch bald immer kälter werden.
Mal sehen wie oft ich dieses Jahr noch in die Fluten steige. Im letzten Jahr war es am 10. November. Ob das dieses Jahr möglich ist, habe ich grosse Zweifel. Obwohl Karl und eine gebürtige Münchnerin auch im Winter sich darin abhärten. Würde ich in Sipplingen wohnen, würd ich es vielleicht auch machen.
Nun entschwinden wieder meine vielen netten Sommerbekannten und mit etwas Glück treffe ich sie nächstes Jahr wieder, an diesem Platz am See in Sipplingen. :D

Peter Burger
Benutzeravatar
Peter
 
Beiträge: 380
Registriert: 30.08.2010, 16:40
Wohnort: LL


Zurück zu Poetische Seegeschichten



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast

cron