Nina

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Nina

Beitragvon Peter » 24.09.2010, 19:51

Nina

Nina lag in ihrem Bett und versuchte, einzuschlafen. Da hörte sie ein leises Knistern vom Schrank her. „Nanu,“ dachte sie, „sind da etwa Mäuse hinter dem Schrank? Das fehlte mir gerade noch!“ Eigentlich wollte sie aufstehen und nachsehen, aber ihre Lider waren so schwer, sie bekam die Augen nicht auf.
Wieder vernahm sie ein Knistern. Sie konnte es genau orten – es kam von den nicht verschlossenen Schranktüren! Sie bewegten sich. Nein, nicht in den Scharnieren, wie jeder es kennt, sondern nur die Bretter und Furniere. Das polierte Eichenholz wellte sich leicht und knisterte. Hellwach saß Nina nun auf dem Bettrand und fragte: „Was ist denn hier los? Wer knistert da mit meinen Schranktüren?“
Eine dünne Stimme antwortete: „Das bin ich. Ich bin eine gefangene Seele und ich lebte in einer großen Eiche. Aber ein Mensch hat vor langer langer Zeit den Baum gefällt und jetzt bin ich auf viele Bretter verteilt! Aber ich spüre alle Bretter noch, was mich zwischen verschieden Schränken, Tischen und Stühlen an unterschiedlichen Orten hin und her zieht, an mir jede Nacht reisst. Es gibt diese Bretter fast alle noch.
Erst wenn alle zusammengetragen und in Öfen verbrannt sind, werde ich wieder frei sein, erlöst aus dem Gefängnis des Holzes des mächtigen Baums.“
Nina dachte laut: „Was ist mit der Seele des Baumes“. Wieder knisterte der Schrank und sie hörte die flüsternde Stimme. „Als der Baum gefällt wurde zog dessen Seele in die Wurzel sich zurück und trieb vom Baumstumpf neu aus. Aber ich war gefangen im Holz und wurde zerteilt in hunderte Bretter.“ Nina fragte sich nun, weshalb die Seele in dem Baum gefangen war. Immer leiser flüsterte der Schrank: „Auch ich wollte einst den Baum fällen, da seine Äste zuviel Schatten auf mein Haus warfen. Da meine Säge für den Stamm zu klein war, kletterte ich an ihm hinauf und sägte an seinen mächtigen Ästen. Immer wenn diese ächzenden zu Boden krachten, spürte ich den Schmerz des Baumes und ihn bitten - hör auf, hör auf - . Ich achtete nicht darauf, bis ein Sägeblatt riß. Nun auf dem Weg hinab, verlor ich den Halt und fiel hinab. Mein Kopf verfing sich in einer Astgabel des Baumes, in der ich hängen blieb. Dort blieb mein lebloser Körper, bis er andertags gefunden wurde. Meine Seele sah den Schmerz des Baumes und be-gann den verletzten Baum zu heilen. So drang sie immer tiefer hinein und verband sich mit der Seele des Baumes. Wir waren so für viele Jahre eine Einheit und ich sah die Schönheit der Natur um uns, all das was ich als Mensch vorher nie gesehen. Aber als Holzfäller kamen und die Eiche fällten, blieb ich allein im Holz zurück und erlitt das Leid des Zerteilens. So lebe ich nun dahin in den Häusern der Menschen und sehe deren Leben hundertfach, sehe sie lieben und leiden, bin mitten drin und nur nachts kann ich mich als Ganzes spüren, mich dehnen und strecken.“
Nina hatte zugehört und war dabei eingeschlafen. Am nächsten Morgen wußte sie nicht, ob sie dies geträumt hatte und betrachtete den alten Schrank. Schon lange wollte sie sich von ihm trennen, aber keiner wollte diesen haben. Sie berührte ihn vorsichtig und die Türe knarrte. Plötzlich riß ein Türscharnier. Nina erschrak und ihr wurde bewußt, daß ihr Traum real war. Sie erinnerte sich deutlich der flüsternden Worte und ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken.
Nach dem Frühstuck holte sie eine Kerze und entzündete diese im Schrank. Als diese niedergebrannt war, holte sie eine Säge und zerteilte den Schrank in viele handliche Einzelteile. Das Feuer im Kachelofen loderte hoch und das trockene Holz knisterte auf seinem letzten Weg. Nina fühlte, wie sich damit etwas erlöste. Am Abend war im Raum eine Lücke, aber keine Leere und sie selber fühlte sich erlöst. Sie war befreit von Altem und Neues konnte in den Raum ihres Lebens einkehren. Als sie gerade am Einschlafen war, hörte sie ein Knistern am Fenster und hörte leise ein langes „Daaaaaanke !!!“. Zunächst erschrak sie, als ein feiner Lichtstrahl vor dem Fenster sich zeigte. Aber darauf wurde es ihr warm im Herz und sie schlief ein und träumte eine wunderschöne Geschichte. Sie sah den Schrank zum Himmel fliegen, begleitet von lichtvollen Engeln. Diese streuten wunderschöne Sterne auf sie herab und ihr Haus füllte sich mit diesem Sternenstaub.
Ab dieser Nacht hatte Nina nur noch Glück und der geträumte Sternenstaub materialisierte sich in Münzen, genug für ein zufriedenes Leben. Ab diesem Tag litt sie keinen Hunger mehr. Alles was sie nun altes ablöste, brachte ihr doppelt soviel neues und ihr Leben wurde reicher und täglich immer schöner.
Ihre Zimmer waren nun frisch und leuchtend, so wie sie selber leuchtete. Alle Menschen spürten dies und sie wurde zu einer lebenden Lichtgestalt. Denn sie verstrahlte etwas Leichtes, was den Anderen fehlte, welche immer noch ihre Vergangenheit festhielten.

Peter Burger
2003
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